Der unterschätzte Einfluss des Blutzuckers auf die Herzgesundheit
Wer sein Herz schützen will, sollte auf Cholesterin und Blutzucker. Forscher haben herausgefunden: auf den Blutzucker kommt es mindestens genauso an. Erreicht dieser einen bestimmten Wert, sinkt das Sterberisiko signifikant
Die häufigste Todesursache in Deutschland und anderen Industrieländern sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Empfehlungen aus der Prävention fokussierten sich lange Zeit auf Blutdruck und Cholesterinwerte. Doch nun rückt der Blutzuckerwert in den Vordergrund, nach einer neuen internationalen Studie, veröffentlicht im Fachjournal „Lancet Diabetes & Endocrinology“.
Die Analyse belegt erstmals: Wenn Menschen mit Prädiabetes ihren Blutglukosewert durch Lebensstiländerungen wieder in den Normalbereich bringen, halbiert sich ihr Risiko für Herzinfarkt, Herzschwäche und Tod. Die Studienautoren hoffen, somit messbare Ziele für Leitlinien in der Behandlung von Prädiabetes zu etablieren.
Als prädiabetisch gilt, wer einen langfristig erhöhten Blutglukosewert aufweist. Dies betrifft ca. 20 Millionen Menschen in Deutschland, oft ohne deren Wissen, und bildet die direkte Vorstufe zu Typ-2-Diabetes. Die Gefahr: Gegenüber Stoffwechselgesunden haben Männer mit Diabetes ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Frauen steigt das Risiko sogar auf das Sechsfache.
Um dies zu verhindern, ist es wichtig, bereits frühzeitig gegen einen Prädiabetes vorzugehen. Bislang fehlte in der Behandlung allerdings ein klar definiertes Therapieziel, wie in es in einer Pressemitteilung der Studienautoren heißt. Stattdessen erhielten betroffene Menschen meist allgemeine Empfehlungen: Gewicht verlieren, sich mehr bewegen und sich gesünder ernähren. Inwiefern sie damit speziell ihre Herzgesundheit langfristig schützen konnten, ließ sich den Autoren zufolge bisher nicht überzeugend nachvollziehen.
In der neuen Studie wurden Langzeitdaten aus zwei der weltweit größten Diabetespräventionsstudien ausgewertet. Insgesamt konnte der Krankheitsverlauf von mehr als 2400 Menschen über Jahrzehnte verfolgt werden. In der einen Studie aus den USA wurden Probanden über einen Zeitraum von 20 Jahren beobachtet, in dem chinesischen Programm sogar über 30 Jahre.
Federführend bei der jetzigen Auswertung waren Forscher des Universitätsklinikums Tübingen unter Leitung von Andreas Birkenfeld. Die Ergebnisse der Studie deuteten darauf hin, dass eine sogenannte Remission des Prädiabetes, also eine Normalisierung der Blutzuckerwerte, „Menschen auch langfristig vor schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt – und zwar über Jahrzehnte hinweg“, erklärte Birkenfeld.
Der richtige Blutzuckerwert für ein gesundes Herz
Dies könnte die Herz-Kreislauf-Prävention erweitern. Bislang stützte diese sich auf drei Säulen: Blutdruckkontrolle, Senkung der Cholesterinwerte und Rauchverzicht. Nun könnte eine vierte Säule hinzukommen, die Reduktion der Blutzuckerwerte bei Prädiabetes. Konkret könne ein nüchterner Blutglukosewert von ≤ 97 mg/dl das Herzrisiko dauerhaft verringern.
Das Risiko an einer Herzkrankheit zu sterben, sank um 50 Prozent bei Probanden mit Prädiabetes, denen es gelang, ihren Blutzuckerwert zu normalisieren. Dies zeigte sich sowohl in den Daten der amerikanischen, als auch der chinesischen Langzeitstudie. Gute Blutzuckerwerte waren damit ausschlaggebender für die Herzgesundheit als ein Gewichtsverlust.
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, Blutzuckerwerte genauso ernst zu nehmen wie Blutdruck und Cholesterin. Neben der Reduktion von Bauch- und Leberfett trägt auch die Verringerung von Entzündungen im Körper zu den positiven Effekten bei.
Interessant: Nur ein gesund gelebtes Jahr in 20 Jahren sorgte bei den Probanden für eine nachweisbar bessere Herzgesundheit. Die traditionelle Neujahr-Motivation zum Abnehmen ist also keineswegs vergebens, sondern kann ihren Teil beitragen, die kulinarischen Sünden der Weihnachtszeit auszugleichen.
Zusammenfassung:
Studiendesign:
Internationale Analyse zweier der größten Diabetespräventionsstudien:
USA: Beobachtungszeitraum 20 Jahre
China: Beobachtungszeitraum 30 Jahre
Über 24.000 Teilnehmende mit Prädiabetes wurden ausgewertet.
Forscherteams aus Tübingen, Helmholtz Munich und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) führten die Harmonisierung und erneute Analyse durch.
Zentrale Ergebnisse
Remission entscheidend: Nur wenn Betroffene ihre Blutzuckerwerte normalisieren, sinkt das Risiko deutlich.
50 % geringeres Risiko für kardiovaskulären Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.
Gesamtsterblichkeit ebenfalls signifikant reduziert.
Interessant: Auch wenn beide Gruppen (mit und ohne Remission) ähnlich viel Gewicht verloren, war der Unterschied klar – die Normalisierung des Blutzuckers war der Schlüssel.
Der HbA1c-Wert zeigt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 8–12 Wochen. Er wird in Prozent oder mmol/mol angegeben.
Gesunde Erwachsene: < 5,7 % (< 39 mmol/mol)
Prädiabetes: 5,7–6,4 % (39–47 mmol/mol)
Diabetes: ≥ 6,5 % (≥ 48 mmol/mol)
Der HOMA-Index wird aus Nüchtern-Blutzucker (mmol/l) und Nüchtern-Insulin (µU/ml) berechnet:
< 2,0: kein Hinweis auf Insulinresistenz
2,0–2,5: grenzwertig
> 2,5–3,0: Hinweis auf Insulinresistenz
> 3,0: deutliche Insulinresistenz
Bedeutung
Paradigmenwechsel in der Prävention:
Ziel sollte nicht nur Lebensstiländerung sein, sondern die messbare Normalisierung des Blutzuckers.
Könnte neue Leitlinien prägen und Prädiabetes-Management revolutionieren.
Für Betroffene: Motivation, dass konsequente Lebensstiländerungen nicht nur kurzfristig wirken, sondern langfristig Herz und Leben schützen.
Quelle:

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