Vergiften PFAS unser Trinkwasser und unseren Körper?
Bei einer aktuellen Trinkwasser-Untersuchung hat der Bund Naturschutz in fast allen Stichproben Spuren von Ewigkeitschemikalien gefunden. Was das für Verbraucher heißt versuche ich in dem Blogbeitrag darzustellen
In einer
Analyse des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sind in fast
allen untersuchten Trinkwasserproben sogenannte Ewigkeitschemikalien gefunden
worden.
Demnach
wurden in 42 von 46 Proben Spuren von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen
(PFAS) nachgewiesen. Derzeit geltende gesetzliche Grenzwerte wurden jedoch
nicht überschritten.
PFAS im
Trinkwasser. Die neuen Untersuchungen alarmieren. Dabei weisen Studien schon
lange auf die Gefahren hin: Die schwer abzubauenden per- und polyfluorierten
Chemikalien (PFAS) sollen für Leberschäden, Übergewicht, hormonelle Störungen
und Krebs verantwortlich sein. Die EU diskutiert deshalb ein Verbot. Das
Problem dabei: Die Studien gibt es nur zu einem Bruchteil der mehr als 10.000
Stoffe, die zudem überall in unserem Alltag vorkommen.
Sie sind
eigentlich überall: In Kosmetika, Ski-Wachsen, Outdoorklamotten,
antihaftbeschichteten Pfannen, Fastfood-Verpackungen, Teppichen, Backpapier,
Pflanzenschutzmitteln, Medizinprodukten, Schmiermitteln … die Liste könnte ewig
so weitergehen. Ihre breite Anwendung verdanken die Stoffe ihren Eigenschaften
als wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie der chemischen und thermischen
Stabilität. Genau das ist aber auch ein Problem für die Umwelt und die
menschliche Gesundheit. Denn weil sie so langlebig sind, reichern sich die
PFAS-Chemikalien immer weiter an. Eine Tatsache, die mit Blick auf eine
vermehrte Anzahl an Studien, die den Stoffen schädliche Einflüsse auf Mensch
und Umwelt attestieren, bedenklich ist.
Nun steckt
die EU mitten in Beratungen darüber, ob die PFAS nicht sogar ganz verboten
werden sollten. Für die Befürworter eines Verbots ein längst überfälliger
Schritt, für die anderen aber zu pauschal gedacht. Denn die PFAS sind eine
Gruppe aus mehr als 10.000 Stoffen, die sich in ihrer Funktion und Anwendung
durchaus unterscheiden. Zeit für einen Überblick.
Hier, um
zu bleiben: Warum die PFAS auch Ewigkeitschemikalien heißen!
PFAS steht
für per- und polyfluorierte Chemikalien. Natürlich kommen diese Stoffe nicht
vor. Sie werden laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare
Sicherheit und Verbraucherschutz erst seit den 1940er-Jahren hergestellt und
eingesetzt. Chemisch gesehen bestehen sie aus Kohlenstoffketten verschiedener
Längen, bei denen Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise
(polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt sind. Die chemische Verbindung
zwischen Kohlenstoff und Fluoratomen ist extrem stabil. Während die
polyfluorierten Stoffe zumindest noch durch natürliche Abbaumechanismen wie
etwa die Sonneneinstrahlung oder Mikroorganismen zu perfluorierten Carbon- und
Sulfonsäuren abgebaut werden können und deshalb als Vorläuferverbindung bezeichnet
werden, sind perfluorierte Vertretern von Vorneherein praktisch nicht abbaubar.
Beide können nur durch kosten- und zeitintensive Verfahren entfernt werden. Sie
verschwinden nicht von selbst und genau das macht sie zur Gefahr für Mensch und
Umwelt.
Mobil,
stabil und immer mehr: Warum PFAS eine Gefahr sind
Über
verschiedenste Wege gelangen die PFAS in die Umwelt. Ab hier zeigen sich
Unterschiede in kurz- und langkettigen PFAS. Kurzkettige Stoffe binden sich
kaum an organisches Material oder Sedimente und sind dadurch sehr mobil. Das
führt dazu, dass sie sehr schnell ins Grundwasser geraten und von Pflanzen
aufgenommen werden. Langkettige PFAS werden dagegen erst langsam aus Böden
ausgewaschen und treten entsprechend spät als Grundwasserbelastung zutage.
Daneben reichern sie sich insbesondere in Organismen und entlang der
Nahrungskette an. Der europäischen Lebensmittelbehörde EFAS zufolge gelten vor
allem tierische Lebensmittel als mit PFAS belastet.
Beide
gelangen schließlich irgendwann in unsere Nahrung und damit ins Blut, wo
kurzkettige PFAS aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeit schnell nicht mehr
nachweisbar sind, langkettige aber über Jahre im menschlichen Körper verbleiben
können, sich dort immer weiter anreichern und entsprechende toxische Wirkungen
entfalten, indem sie Proteine im Blut, in der Leber und der Niere binden.
Einzelne
PFAS im Visier: Vor allem langkettige Stoffe werden reguliert
Deshalb
stehen besonders langkettige PFAS in der Kritik, etwa Perfluoroctansulfonsäure
(PFOS) und Perfluoroktansäure (PFOA). Sie sollen laut Umweltbundesamt nicht nur
für eine verringerte Antikörperantwort bei Impfungen verantwortlich sein,
sondern auch Infektionen begünstigen. PFOA ist laut Bundesamt für
Risikobewertung außerdem giftig für die Leber und steht im Verdacht,
hormonähnliche Eigenschaften zu haben. In Tierversuchen hätten sie laut dem
aktuellen Beschränkungsdossier der EU Tumore verursacht. Beide Stoffe gehören
zu der Gruppe der PTE, Industriechemikalien, die Zwischenprodukte oder
Hilfsstoffe bei der Herstellung sowie Abbauprodukte von bestimmten
Fluorverbindungen sind und sich beispielsweise in wasser-, schmutz- und
fettabweisenden Ausrüstungen von Teppichen, Kleidung oder Kochgeschirr mit
Antihaftbeschichtung befinden oder eigentlich befanden.
Denn, wie
andere Stoffe, deren schädliche Wirkung durch Studien belegt ist, sind beide
Stoffe bereits weltweit verboten: Für PFOS etwa gilt das Verbot bis auf wenige
Ausnahmen – etwa bei Medizinprodukten – bereits seit 2010, für PFOA seit 2020.
Des Weiteren sind sehr lange Perfluorcarbonsäuren (mit 9-21 Kohlenstoffatomen)
seit Februar 2023 in der EU verboten, ein weltweites Verbot steht im Raum.
Auch
einzelne kurzkettige PFAS, wie zum Beispiel PFHxA (Perfluorhexansäure), rücken
mittlerweile ins Licht der Behörden. Denn sie sind durch ihre Mobilität und die
ebenso starke Langlebigkeit nicht nur möglicherweise auch eine Gefahr, sondern
werden gerne als Alternative für bereits regulierte PFAS eingesetzt. Eine
Tatsache, die das eigentliche Dilemma der PFAS zeigt.
Ihre
zahlreichen praktischen Eigenschaften machen die PFAS zum Alleskönner und
entsprechend breit werden sie eingesetzt. Hinzu kommt, dass nicht jeder Stoff
auch die gleichen Gefahren aufweist: Je nach Branche, Herstellungsprozess,
Menge und Einsatz der PFAS ergeben sich unterschiedliche Gefährdungspotentiale.
In der
Halbleiterindustrie, der Fotoindustrie und bei Hydraulikflüssigkeiten in der
Luftfahrindustrie schließt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz in einem Leitfaden zur PFAS-Bewertung
eine nennenswerte Umweltgefährdung durch langkettige PFAS beispielsweise aus.
Anders ist das bei der Papier-, Karton- und Pappeherstellung sowie dem Einsatz
von Imprägnier- und Fleckenschutz in der Textilindustrie. In der Lack- und
Farbenherstellung sowie der chemischen Industrie sei die Bewertung hingegen
schwierig. Denn vor allem Letztere könnte laut Bundesministerium die gesamte
PFAS-Produktpalette umfassen, ohne, dass es Informationen zu den Einsatzmengen,
-bereichen und -zeiträumen gäbe.
Ein Problem,
das viele Hersteller betrifft: "Wenn ein Hersteller eine komplexe Anlage
baut, dann haben sie ganz, ganz viele Zukaufteile, von denen der Hersteller im
ersten Moment nicht weiß, wo da PFAS drin sind“, so Sarah Brückner, Leiterin
der Abteilung Umwelt & Nachhaltigkeit beim Verband Deutscher Maschinen- und
Anlagenbau. Von Dichtungen, über Kabelummantelungen bis hin zu Schmierstoffen
würden viele Unternehmen nun alles überprüfen. Die Gefahr, dass es trotzdem
PFAS-Anwendungen gebe, über die die Hersteller erst Bescheid wüssten, sobald
die Stoffe fehlen, sei da.
Einer für
alles: Ein Ersatzstoff ist schwer zu finden
Die
Kombination ihrer Eigenschaften, die Breite ihrer Anwendung und die schiere
Anzahl der Stoffe macht es laut Sarah Brückner schwer, die PFAS zu ersetzen:
"Unsere Daumenregel ist: Wenn sie einen Teil der Stoffeigenschaften eines
PFAS nutzen, haben sie eine Chance, ein Substitut zu finden. Weil wir dann
vielleicht einen Stoff einsetzen können, der diese eine Eigenschaft, die ich
nutze, erfüllt in allen Anwendungen. Wo sie die komplette Bandbreite der
Eigenschaften der PFAS nutzen, also mehr als eine oder zwei der stofflichen
Eigenschaften, werden sie nahezu keine Chance haben, ein Substitut zu finden.“
Sarah Brückner plädiert deshalb für eine Einzelbewertung, nicht unbedingt aller
Stoffe, aber zumindest von Stoffgruppen – auch, weil nicht alle als toxisch
gelten. Und sie spricht sich für eine Differenzierung von Konsumprodukten und
Industrieanwendungen aus. Denn die Industrie träfe ihr zufolge stärkere
Vorsichtsmaßnahmen und hätte andere Möglichkeiten der Entsorgung.
Die EU
hingegen argumentiert in ihrem Dossier mit der Sorge, dass einzeln beschränkte
PFAS lediglich durch leicht abgewandelte, nicht beschränkte PFAS ersetzt
würden, diese aber dann mit der Zeit und ausreichender Anreicherung in der
Umwelt zu einem ebenso großen Problem werden. So sieht es auch Christian
Neumann vom Fraunhofer-Institut für Polymerforschung IAP in Potsdam. Er
entwickelt Ersatzmöglichkeiten für PFAS-haltige Schmierstoffe und Dichtungen.
"Eine Anhäufung PFAS-haltiger Substanzen kann potenziell zu Problemen
führen, deren Ausmaß man momentan noch nicht vollständig abschätzen kann –
insbesondere in Bezug auf die Toxizität. Daher bevorzugt man heute Systeme, die
in der Umwelt nicht extrem langlebig sind."
Dass die
PFAS schwer zu ersetzen sind, erklärt auch er. Der studierte Chemiker hält
deshalb die Argumentation beider Seiten für richtig und wichtig: Zum einen
brauche es Verordnungen, um Investitionen und Anreize zu schaffen, nach
Alternativen zu suchen und Umweltschäden zu verhindern. Zum anderen bestehe
auch die Gefahr eines Innovationsrückschritts an den Stellen, wo es noch keine
Alternativen gibt.
Erste
Teilerfolge: Bald Schmierstoffe ohne PFAS
Er selbst
macht zumindest im Bereich der Schmierung gute Fortschritte: Zusammen mit einem
Team aus Forschenden hat er Mikrokapseln entwickelt, die mit PFAS-freien
Schmierölen gefüllt sind, durch Reibung aufbrechen und so zur Selbstschmierung,
etwa von Kunststoffbauteilen, beitragen. Der Vorteil: Die Mikrokapseln halten
Temperaturen bis zu 260 - 300 Grad stand und haben wie die sonst verwendeten
PFAS einen geringen Reibungskoeffizienten. Sie können so gleichermaßen die
Reibung und den Verschleiß von Kunststoffen reduzieren. Und noch einen Vorteil
gibt es: Durch die schützenden Mikrokapseln könnten unterschiedlichste
marktverfügbare Öle, also auch PFAS-freie Öle, eingesetzt werden. Die Kapseln
sind damit also auch unabhängig davon einsetzbar, welche Stoffe in Zukunft als
schädigend eingestuft werden.
Was
Verbraucher tun können
Leitungswasser
bleibt laut BUND dennoch die ökologische Wahl. Auch in vielen Mineralwässern
könnten PFAS nachgewiesen werden. Verbraucherinnen und Verbraucher, die die
gesundheitsschädlichen Stoffe vermeiden möchten, können selbst aktiv werden:
Beim Einkauf sollte auf Kennzeichnungen wie "PFAS-frei",
"PFC-frei" oder "fluorcarbonfrei" geachtet werden. Wer
weniger tierische Produkte konsumiere, könne außerdem seine PFAS-Aufnahme über
Lebensmittel verringern.
Hauseigentümer können Wasserfilteranlagen mit PFAS Filter einbauen und so die Belastung im Trinkwasser weiter reduzieren.


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