Anti-entzündliche Ernährung - warum ist sie heutzutage so wichtig?

 

Autoimmunerkrankungen entstehen durch eine Fehlsteuerung des körpereigenen Immunsystems, das fälschlicherweise gesundes Gewebe angreift. Diese Fehlfunktion führt zu chronischen Entzündungsprozessen, die nicht nur eine Folge, sondern auch ein wesentlicher Treiber vieler Erkrankungen sind. Das Verständnis dieser chronischen Entzündungen als gemeinsamer Pathomechanismus ist entscheidend für therapeutische Ansätze.

Chronische Entzündungen bilden die gemeinsame Basis einer Vielzahl von Zivilisationskrankheiten, darunter Adipositas, Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, rheumatoide Arthritis, Hashimoto-Thyreoiditis, Depressionen, Demenz und verschiedene Krebsarten. Was diese scheinbar unterschiedlichen Erkrankungen verbindet, ist ein dauerhaft aktiviertes Immunsystem, das durch Autoantikörper, autoreaktive Immunzellen und proentzündliche Zytokine charakterisiert ist.

Ein gesundes Immunsystem reagiert auf Schädigungen oder Eindringlinge mit einer akuten Entzündungsreaktion, die nach Beseitigung der Ursache wieder abklingt. Bei Autoimmunerkrankungen hingegen verselbstständigt sich dieser Prozess – das Immunsystem bleibt aktiv und richtet sich gegen körpereigene Strukturen. Die daraus resultierenden chronischen Entzündungen schädigen langfristig Gewebe und Organe und können systemische Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben.

Moderne Forschung zeigt zunehmend, dass die Ernährung einen erheblichen Einfluss auf diese Entzündungsprozesse haben kann. Sie wirkt direkt auf das Immunsystem und kann das Gleichgewicht zwischen pro- und antientzündlichen Signalwegen beeinflussen. Dabei steht nicht ein starrer Diätplan im Vordergrund, sondern die bewusste Auswahl entzündungshemmender, nährstoffreicher Lebensmittel, idealerweise im Rahmen einer mediterran geprägten, pflanzenbasierten Vollwertkost.

Die Ernährungstherapie bei Autoimmunerkrankungen zielt darauf ab, das gestörte Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und -hemmenden Prozessen wiederherzustellen. Durch spezifische Nährstoffkombinationen kann die Bildung entzündungshemmender Botenstoffe gefördert werden, während gleichzeitig die Ausschüttung entzündungsfördernder Signalmoleküle – wie bestimmter Zytokine oder reaktiver Sauerstoffverbindungen – gehemmt wird.

Entzündungsfördernde Nahrungsbestandteile

Die moderne Ernährungsweise enthält zahlreiche Komponenten, die entzündungsfördernde Wirkungen im Körper entfalten können. Ein tiefgreifendes Verständnis dieser Nahrungsbestandteile ist essenziell, um eine gezielte ernährungstherapeutische Intervention bei Autoimmunerkrankungen zu ermöglichen.

Transfette und gesättigte Fettsäuren stehen an vorderster Front der entzündungsfördernden Substanzen. Transfette, die vor allem in industriell verarbeiteten Lebensmitteln wie Backwaren, Frittierprodukten und manchen Margarinesorten vorkommen, können die Produktion proinflammatorischer Zytokine steigern und die Gefäßfunktion beeinträchtigen. Gesättigte Fettsäuren, hauptsächlich in tierischen Produkten wie Wurst, Käse und fettem Fleisch enthalten, aktivieren entzündungsfördernde Signalwege über Toll-like-Rezeptoren und können die Insulinresistenz fördern.

Ungünstige Omega-6-Fettsäuren, insbesondere Arachidonsäure, die vorwiegend in tierischen Produkten vorkommt, dienen als Ausgangsstoff für proinflammatorische Eicosanoide. Bei entzündlichen Erkrankungen sollte die Aufnahme von Arachidonsäure auf unter 80 mg täglich reduziert werden. Ein ungünstiges Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren, wie es in der westlichen Ernährung oft vorkommt, verschiebt das Gleichgewicht zusätzlich in Richtung Entzündungsförderung.

Übermäßige Mengen an tierischem Eiweiß können durch die Bildung von Trimethylamin N-oxid (TMAO) im Darm, besonders bei hohem Verzehr von rotem Fleisch, entzündungsfördernd wirken und das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Auch ein hoher Cholesteringehalt in der Nahrung kann inflammatorische Prozesse begünstigen.

Raffinierte Kohlenhydrate, Zucker und Süßstoffe fördern durch schnelle Blutzuckeranstiege oxidativen Stress und Entzündungen. Selbst vermeintlich gesündere Alternativen wie Xylit, Erythrit oder Sucralose können durch Veränderungen der Darmflora entzündungsfördernde Wirkungen entfalten. Besonders problematisch ist Fruktose, die in konzentrierter Form in Fertigprodukten vorkommt und den Stoffwechsel belastet.

Zahlreiche Zusatzstoffe in hochverarbeiteten Lebensmitteln können die Darmbarriere schwächen und dadurch systemische Entzündungsreaktionen auslösen. Dazu zählen Emulgatoren, modifizierte Stärke und übermäßige Salzmengen. Diese Substanzen können die Zusammensetzung der Darmflora negativ beeinflussen und die Durchlässigkeit der Darmwand erhöhen – ein Zustand, der als "Leaky Gut" bekannt ist und mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht wird.

Entzündungshemmende und antioxidative Nährstoffe

Im Gegensatz zu entzündungsfördernden Nahrungsbestandteilen gibt es eine Vielzahl von Nährstoffen, die aktiv zur Hemmung von Entzündungsprozessen beitragen und als wichtige Bestandteile einer therapeutischen Ernährung bei Autoimmunerkrankungen gelten. Diese Substanzen wirken über verschiedene Mechanismen und ergänzen sich in ihrer antientzündlichen Wirkung.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren, insbesondere Omega-3-Fettsäuren, nehmen eine Schlüsselrolle bei der Entzündungshemmung ein. Die wichtigsten Vertreter sind Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die bevorzugt aus tierischen Quellen wie fettem Seefisch (Lachs, Makrele, Hering) und gereinigten Fischölen stammen. Sie werden im Körper zu entzündungshemmenden Eicosanoiden und speziellen Lipidmediatoren wie Resolvinen umgewandelt, die aktiv zur Auflösung von Entzündungen beitragen. Pflanzliche Quellen wie Leinöl liefern zwar α-Linolensäure, diese wird jedoch im menschlichen Organismus nur unzureichend in die wirksamen Formen EPA und DHA umgewandelt.

Verschiedene Vitamine spielen eine entscheidende Rolle bei der Immunmodulation und dem Schutz vor oxidativem Stress. Vitamin C, vorwiegend in Zitrusfrüchten, Paprika und Beerenobst enthalten, wirkt als Radikalfänger und unterstützt die Kollagenbildung. Vitamin E, hauptsächlich in pflanzlichen Ölen, Nüssen und Samen vorkommend, schützt Zellmembranen vor oxidativen Schäden. Die Vitamine A und B6 sind an zahlreichen immunologischen Prozessen beteiligt und tragen zur normalen Funktion des Immunsystems bei.

Mineralstoffe und Spurenelemente wie Magnesium, Zink und Selen fungieren als wichtige Cofaktoren antioxidativer Enzyme. Zink, enthalten in Meeresfrüchten, Kürbiskernen und Hülsenfrüchten, ist an über 300 enzymatischen Reaktionen beteiligt und spielt eine zentrale Rolle bei der Immunfunktion. Selen, das in Paranüssen, Fisch und Eiern vorkommt, ist essenziell für die Glutathionperoxidase, ein Schlüsselenzym im antioxidativen System des Körpers.

Sekundäre Pflanzenstoffe bilden eine umfangreiche Gruppe bioaktiver Verbindungen mit potenten antientzündlichen und antioxidativen Eigenschaften. Carotinoide aus orangefarbenem und gelbem Gemüse, Polyphenole aus Beeren und dunkler Schokolade, Anthocyane aus rotblauem Obst und Gemüse, sowie spezifische Verbindungen wie Kurkumin aus Kurkuma, Resveratrol aus Trauben, Capsaicin aus Chili und Quercetin aus Zwiebeln modifizieren Entzündungssignalwege und schützen vor oxidativem Stress. Diese Pflanzenstoffe beeinflussen unter anderem den Nuclear Factor kappa B (NF-κB), einen zentralen Transkriptionsfaktor für entzündliche Prozesse.

Ballaststoffe, die ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen, wirken nicht nur direkt entzündungshemmend, sondern fördern auch eine gesunde Darmflora, die wiederum einen positiven Einfluss auf das Immunsystem hat. Die verschiedenen Ballaststoffarten – von Inulin in Schwarzwurzeln über Pektine in Äpfeln bis zu resistenter Stärke in abgekühlten Kartoffeln – werden im nächsten Abschnitt ausführlicher behandelt.

Die besondere Rolle der Fettsäuren

Fettsäuren gehören zu den wirksamsten Nahrungsbestandteilen, wenn es um die Modulation von Entzündungsprozessen geht. Ihre Wirkung beruht auf komplexen biochemischen Mechanismen, die direkten Einfluss auf die Entzündungskaskade im Körper nehmen.

 

Aus ungesättigten Fettsäuren entstehen im Organismus Eicosanoide – Gewebehormone mit weitreichenden Effekten auf Entzündungs- und Immunreaktionen. Diese Eicosanoide können sowohl entzündungsfördernd als auch -hemmend wirken, abhängig von ihrer Ausgangssubstanz. Während Omega-6-Fettsäuren, insbesondere Arachidonsäure, überwiegend zu proinflammatorischen Eicosanoiden wie Prostaglandin E2 und Leukotrien B4 verstoffwechselt werden, führen Omega-3-Fettsäuren zur Bildung antientzündlicher Mediatoren.

Besonders wertvoll für die entzündungshemmende Ernährung sind die langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Sie wirken auf mehreren Ebenen: Sie konkurrieren mit Arachidonsäure um die gleichen Enzymsysteme (Cyclooxygenasen und Lipoxygenasen), hemmen die Expression proinflammatorischer Gene durch Beeinflussung von Transkriptionsfaktoren wie NF-κB und bilden die Vorstufen für spezielle entzündungsauflösende Lipidmediatoren wie Resolvine, Protektine und Maresine. Diese Mediatoren spielen eine aktive Rolle bei der Auflösung von Entzündungsprozessen und der Wiederherstellung der Gewebehomöostase.

EPA und DHA stammen bevorzugt aus tierischen Quellen wie fettem Seefisch. Besonders reich daran sind Lachs, Makrele, Hering und Sardinen. Auch Algenöle stellen eine zunehmend wichtige, pflanzliche Quelle für diese wertvollen Fettsäuren dar. Pflanzliche Lebensmittel wie Leinsamen, Chiasamen oder Walnüsse liefern zwar α-Linolensäure (ALA), eine kurzkettige Omega-3-Fettsäure, diese wird im menschlichen Körper jedoch nur mit einer Effizienz von etwa 5-10% in EPA und unter 5% in DHA umgewandelt. Diese Umwandlungsrate ist zudem individuell unterschiedlich und kann durch genetische Faktoren, Alter, Geschlecht und Ernährungsgewohnheiten beeinflusst werden.

Arachidonsäure, eine Omega-6-Fettsäure mit entzündungsförderndem Potenzial, sollte bei entzündlichen Erkrankungen möglichst reduziert werden – idealerweise auf unter 80 mg pro Tag. Hauptquellen sind tierische Lebensmittel wie Eigelb, Schweinefleisch, Wurst und fetter Käse. Durch eine bewusste Reduktion dieser Lebensmittel und eine gleichzeitige Erhöhung der Omega-3-Zufuhr kann das Verhältnis der Fettsäuren günstig beeinflusst werden.

Neben der absoluten Menge spielt auch das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren eine wichtige Rolle. In der westlichen Ernährung liegt dieses Verhältnis oft bei 15:1 oder höher, während ein Verhältnis von 4:1 oder niedriger als optimal für die Entzündungshemmung gilt. Eine mediterrane oder traditionell japanische Ernährungsweise erreicht deutlich günstigere Verhältnisse und ist mit einem niedrigeren Risiko für entzündliche Erkrankungen assoziiert.

Vitamin D als Immunmodulator

Vitamin D nimmt eine Sonderstellung unter den Nährstoffen ein, die das Immunsystem beeinflussen. Weit über seine klassische Rolle im Calcium- und Knochenstoffwechsel hinaus wirkt es als potenter Immunmodulator mit vielfältigen Effekten auf entzündliche und autoimmune Prozesse.

Die immunologischen Wirkungen von Vitamin D sind komplex und umfassen sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem. Es beeinflusst die Bildung und Freisetzung von Zytokinen, reguliert die Aktivität von T- und B-Zellen und modifiziert die Funktion von Makrophagen und dendritischen Zellen. Vitamin D fördert die Bildung antimikrobieller Peptide wie Cathelicidin und β-Defensin, die eine wichtige Rolle in der ersten Verteidigungslinie gegen Pathogene spielen. Gleichzeitig hemmt es überschießende Immunreaktionen, indem es die Differenzierung von regulatorischen T-Zellen begünstigt und die Bildung proinflammatorischer TH1- und TH17-Zellen reduziert.

Ein Vitamin-D-Mangel ist in Deutschland und anderen Ländern mit gemäßigtem Klima weit verbreitet – insbesondere in den Wintermonaten, wenn die UV-B-Strahlung der Sonne nicht ausreicht, um die körpereigene Vitamin-D-Synthese in der Haut anzuregen. Bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen werden häufig besonders niedrige Vitamin-D-Spiegel festgestellt. Epidemiologische Studien zeigen zudem, dass ein niedriger Vitamin-D-Status mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung verschiedener Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Typ-1-Diabetes und Hashimoto-Thyreoiditis assoziiert ist.

 

Bei nachgewiesenem Mangel – der durch die Bestimmung des 25-Hydroxy-Vitamin-D im Blut festgestellt werden kann – ist eine Supplementierung sinnvoll. Experten empfehlen bei Autoimmunerkrankungen eine tägliche Zufuhr von mindestens 2000 I.E. (Internationale Einheiten), um einen optimalen Blutspiegel von über 75 nmol/l (30 ng/ml) zu erreichen und aufrechtzuerhalten. In Einzelfällen können auch höhere Dosierungen erforderlich sein, die jedoch ärztlich überwacht werden sollten, um eine Überdosierung zu vermeiden.

Studien belegen die therapeutischen Effekte einer Vitamin-D-Supplementierung bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen. Bei Hashimoto-Thyreoiditis konnte gezeigt werden, dass sich durch die Gabe von Vitamin D die Antikörperspiegel (insbesondere TPO-Antikörper) senken lassen. Bei Multipler Sklerose kann Vitamin D das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die Schubrate reduzieren. Auch bei rheumatoider Arthritis wurden positive Effekte auf die Krankheitsaktivität und Entzündungsparameter beobachtet.

Natürliche Vitamin-D-Quellen in der Nahrung sind begrenzt und umfassen hauptsächlich fetten Seefisch (Lachs, Hering, Makrele), Lebertran, angereicherte Lebensmittel und in geringerem Maße Eigelb und bestimmte Pilze. Die wichtigste natürliche Quelle bleibt jedoch die Eigensynthese in der Haut unter Einwirkung von Sonnenlicht. Ein regelmäßiger, maßvoller Aufenthalt im Freien – etwa 15-20 Minuten täglich mit unbedeckten Armen und Gesicht – kann insbesondere in den Sommermonaten einen wesentlichen Beitrag zur Vitamin-D-Versorgung leisten.

Ballaststoffe – unterschätzte Immunhelfer

Ballaststoffe werden oft primär mit ihrer verdauungsfördernden Wirkung in Verbindung gebracht, doch ihre Bedeutung für das Immunsystem und die Regulation von Entzündungsprozessen wird zunehmend erkannt. Diese pflanzlichen Nahrungsbestandteile, die unser Körper nicht selbst verdauen kann, spielen eine Schlüsselrolle in der entzündungshemmenden Ernährung.

 

Ballaststoffe kommen in vielfältigen Formen in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Inulin, ein löslicher Ballaststoff, findet sich in größeren Mengen in Schwarzwurzeln, Topinambur, Artischocken und Chicorée. Pektine sind in Äpfeln, Birnen, Kirschen und Zitrusfrüchten enthalten. Oligosaccharide stecken in Hülsenfrüchten, roter Beete, Erbsen und Lauch. Eine besondere Form stellt die resistente Stärke dar, die in grünen Bananen sowie in abgekühlten Kartoffeln, Nudeln oder Reis vorkommt und nicht im Dünndarm, sondern erst im Dickdarm fermentiert wird.

Als Präbiotika dienen Ballaststoffe als Hauptnahrungsquelle für die gesundheitsförderliche Darmflora. Die Darmbakterien fermentieren die Ballaststoffe und produzieren dabei kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) wie Butyrat, Acetat und Propionat. Besonders Butyrat entfaltet vielfältige gesundheitsfördernde Wirkungen: Es dient als Hauptenergiequelle für die Darmschleimhautzellen, stärkt die Darmbarriere, senkt den pH-Wert im Darm und hemmt die Freisetzung von entzündungsfördernden Botenstoffen wie TNF-α und Interleukinen. Butyrat wirkt immunmodulierend, indem es die Differenzierung von regulatorischen T-Zellen fördert und die Aktivität von Makrophagen beeinflusst. Diese Effekte sind nicht auf den Darm beschränkt – SCFAs gelangen über die Blutbahn in den gesamten Körper und können so systemische entzündungshemmende Wirkungen entfalten.

Die Auswirkungen einer ballaststoffreichen Ernährung auf die Darmflora sind beeindruckend schnell. Schon vier Tage mit ballaststoffreicher statt ballaststoffarmer Kost können die Zusammensetzung der Mikrobiota deutlich verändern – sowohl hinsichtlich der Artenvielfalt als auch der Anzahl der Bakterien. Eine gesunde, diverse Darmflora wiederum ist assoziiert mit einem reduzierten Risiko für Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen.

Neben den präbiotischen Ballaststoffen können auch Probiotika – lebende Mikroorganismen aus fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Kefir, Sauerkraut, Kimchi, Apfelessig, Brottrunk oder Kombucha – positive Effekte auf die Darmflora und das Immunsystem haben. In Kombination mit Ballaststoffen (als sogenannte Synbiotika) können sie besonders wirksam die Darmgesundheit fördern und entzündungshemmend wirken.

 

Ballaststoffe haben zudem positive Effekte auf den Blutzuckerspiegel, die Verdauung und das Sättigungsgefühl. Sie verlangsamen die Aufnahme von Glukose im Darm, was zu geringeren Blutzuckerspitzen nach dem Essen führt und damit oxidativen Stress reduziert. Die empfohlene tägliche Aufnahme liegt bei mindestens 30 Gramm – ein Wert, der in Deutschland mit durchschnittlich 21,2 Gramm deutlich unterschritten wird. Besonders Vollkornprodukte, deren Randschichten besonders reich an löslichen Ballaststoffen sind, werden weltweit nur von etwa 26% der Menschen regelmäßig verzehrt, obwohl sie durch ihren niedrigen glykämischen Index besonders günstig für die Blutzuckerregulation sind.

Antioxidantien und sekundäre Pflanzenstoffe

Chronische Entzündungsprozesse, wie sie bei Autoimmunerkrankungen auftreten, gehen mit erhöhtem oxidativen Stress einher. Dabei entstehen vermehrt freie Radikale – reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen, die Zellstrukturen, Proteine und die DNA schädigen können. Antioxidantien und sekundäre Pflanzenstoffe bieten Schutz vor diesen oxidativen Schäden und wirken auf vielfältige Weise entzündungshemmend.

Wichtige antioxidative Mikronährstoffe sind die Spurenelemente Zink, Selen, Kupfer und Eisen, die als Cofaktoren antioxidativer Enzyme fungieren. Zink ist beispielsweise Bestandteil der Superoxiddismutase, die Superoxidradikale neutralisiert. Selen wird für die Glutathionperoxidase benötigt, die Wasserstoffperoxid unschädlich macht. Diese Enzyme bilden zusammen mit Katalase und nicht-enzymatischen Antioxidantien wie Glutathion das körpereigene Abwehrsystem gegen oxidativen Stress. Eine ausreichende Versorgung mit diesen Spurenelementen ist daher essenziell für die Kontrolle von Entzündungsprozessen.

Sekundäre Pflanzenstoffe stellen eine immens vielfältige Gruppe bioaktiver Verbindungen dar, die Pflanzen als Schutz vor Umweltstressoren, UV-Strahlung und Schädlingen produzieren. Für den Menschen haben sie zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften, darunter potente antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen. Zu finden sind sie vor allem in buntem Gemüse, Beeren, Kräutern und Gewürzen – je intensiver die Farbe, desto höher ist oft der Gehalt an bioaktiven Substanzen.

 

Carotinoide wie Beta-Carotin, Lycopin und Lutein verleihen Obst und Gemüse ihre gelbe, orange und rote Färbung. Sie fangen freie Radikale ab und schützen besonders die Zellmembranen vor oxidativen Schäden. Lycopin aus Tomaten und Wassermelonen hat sich in Studien als besonders wirksamer Schutz vor Lipidperoxidation erwiesen. Flavonoide, eine umfangreiche Untergruppe der Polyphenole, kommen in fast allen Pflanzen vor, besonders reichhaltig in Zwiebeln, Äpfeln, dunkler Schokolade und grünem Tee. Sie modulieren Entzündungssignalwege, hemmen die Aktivität von Enzymen wie der Cyclooxygenase (ähnlich wie NSAIDs) und reduzieren die Produktion proinflammatorischer Zytokine.

 

Anthocyane verleihen Beeren, rotem Kohl und anderen dunkel gefärbten Früchten und Gemüsen ihre charakteristische blau-violette Farbe. Sie haben nachweislich entzündungshemmende Eigenschaften und können die Blutgefäßfunktion verbessern. Kurkumin, der aktive Bestandteil von Kurkuma (Gelbwurz), hemmt den Transkriptionsfaktor NF-κB, ein zentrales Regulationselement für Entzündungsgene. Es hat sich in Studien als wirksam bei rheumatoider Arthritis und anderen entzündlichen Erkrankungen erwiesen. Resveratrol aus Traubenschalen und Rotwein aktiviert Sirtuine, die als "Langlebigkeitsproteine" Entzündungsreaktionen dämpfen können.

 

Weitere wertvolle Pflanzenstoffe sind Capsaicin aus Chilischoten, das schmerzlindernd wirkt, Bromelain aus Ananas mit proteolytischer und entzündungshemmender Wirkung und Quercetin aus Zwiebeln und Äpfeln, das Histamin-vermittelte Entzündungsreaktionen reduzieren kann. Auch Gewürze wie Ingwer, Zimt, Muskat und Nelken enthalten potente bioaktive Verbindungen, die zur natürlichen Entzündungshemmung beitragen. Die regelmäßige Verwendung dieser Gewürze in der Küche kann einen Beitrag zur Reduzierung chronischer Entzündungsprozesse leisten.

Ernährungsmuster im Vergleich

 

Nicht einzelne Nährstoffe, sondern ganze Ernährungsmuster wirken sich in ihrer Gesamtheit auf Entzündungsprozesse aus. Die Forschung zeigt deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ernährungsweisen hinsichtlich ihres entzündungsfördernden oder -hemmenden Potenzials.

 

Die westliche Ernährungsweise (Western Diet) ist gekennzeichnet durch einen hohen Energiegehalt bei gleichzeitig niedriger Nährstoffdichte. Sie ist reich an Zucker, gesättigten und Omega-6-Fettsäuren und umfasst viele frittierte und hochverarbeitete Lebensmittel (Ultra-processed Foods, UPF). Fertigprodukte sind zwar schmackhaft und oft preisgünstig, enthalten jedoch typischerweise große Mengen an Salz, Zucker, Fruktose, modifizierter Stärke, trans-Fettsäuren und Emulgatoren. Diese Inhaltsstoffe beeinflussen die Durchlässigkeit der Darmbarriere negativ und verändern die Zusammensetzung der Darmflora. Die westliche Ernährung ist mit entzündlichen Darmerkrankungen, Übergewicht und Autoimmunerkrankungen assoziiert und kann die Tumorentstehung begünstigen. Ein Beispiel für die ungünstigen Stoffwechseleffekte: Carnitin und Cholin aus rotem Fleisch werden durch die Darmmikrobiota zu Trimethylamin N-oxid (TMAO) umgewandelt, das entzündungsfördernd wirkt und das kardiovaskuläre Risiko erhöht.

 

Im Gegensatz dazu steht die mediterrane Ernährung (MD), die sich durch einen hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel auszeichnet. Sie ist reich an sekundären Pflanzenstoffen, Ballaststoffen und Omega-3-Fettsäuren. Charakteristisch sind die Verwendung von Olivenöl als Hauptfettquelle, der regelmäßige Verzehr von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen sowie mageren Sauermilchprodukten. Fisch und Meeresfrüchte werden häufiger konsumiert als Geflügel, während rotes Fleisch, Schweinefleisch, Wurstwaren und Süßigkeiten nur in geringen Mengen verzehrt werden. Ähnliche Prinzipien verfolgen die DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension), die ITIS-Diät und das NutriAct-Ernährungsmuster.

 

Zahlreiche Studien belegen die positiven Effekte der mediterranen Ernährung. Sie führt zu einer Reduktion von Körpergewicht und BMI, verbessert kardiometabolische Risikofaktoren und senkt Entzündungswerte wie hochsensitives C-reaktives Protein (hs-CRP), Interleukin-6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α). Bei stillenden Frauen konnte die mediterrane Ernährung eine Gewichtsabnahme und Entzündungsreduktion fördern. Bemerkenswert ist, dass kardiometabolische Risikofaktoren und das Volumen des viszeralen Fettgewebes auch unabhängig von einer Gewichtsabnahme durch die mediterrane Ernährung gesenkt werden können. Selbst eine Variante mit höherem Fettanteil (40%) und Energiegehalt, wie bei einer olivenöl- oder nussreichen mediterranen Kost, wirkt sich vorteilhaft auf den Glukosestoffwechsel und die Gewichtskontrolle aus. Die mediterrane Ernährung wird sowohl zur Prävention als auch zur Ernährungstherapie bei rheumatoider Arthritis, Multipler Sklerose, Hashimoto-Thyreoiditis, Adipositas und Diabetes empfohlen.

 

Die nordische Ernährung (ND) ähnelt in vielen Aspekten der mediterranen Kost. Sie ist ebenfalls reich an Gemüse, Obst, Beeren und Vollkornprodukten, enthält moderate Mengen an Fisch und wenig gesättigte Fettsäuren und Fleisch. Anstelle von Olivenöl wird hauptsächlich Rapsöl verwendet, das ebenfalls reich an einfach ungesättigten Fettsäuren ist. Studien zeigen, dass die nordische Ernährung Blutdruck, Blutfettwerte und Entzündungsmarker wie CRP und IL-6 reduzieren kann.

 

Die ketogene Ernährung, charakterisiert durch sehr niedrige Kohlenhydratzufuhr und hohen Fettanteil, wird kontrovers diskutiert. Einige Studien zeigen, dass eine sehr kalorienarme, ketogene Diät zu einem rascheren und stärkeren Gewichtsverlust führen kann als konventionelle kalorienreduzierte Kostformen. Der Verlust des metabolisch aktiven Fettgewebes könnte teilweise das antientzündliche Potenzial dieser Ernährungsform erklären. Zudem führt die ketogene Stoffwechsellage zur Bildung von β-Hydroxybutyrat, das ähnlich wie Butyrat aus der Ballaststofffermentation antientzündlich wirkt. Allerdings ist die langfristige Verträglichkeit und Nachhaltigkeit ketogener Diäten umstritten, und sie könnten für Patienten mit bestimmten Autoimmunerkrankungen ungeeignet sein.

Praktische Empfehlungen für eine entzündungshemmende Ernährung

Nach der wissenschaftlichen Betrachtung verschiedener Nährstoffe und Ernährungsmuster stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzung. Wie kann eine entzündungshemmende Ernährung im Alltag gestaltet werden, besonders für Menschen mit Autoimmunerkrankungen?

Die Basis bildet eine pflanzenbasierte, mediterran geprägte Vollwertkost mit hohem Anteil naturbelassener Lebensmittel. Etwa zwei Drittel der täglichen Nahrung sollten aus pflanzlichen Quellen stammen: reichlich Gemüse in verschiedenen Farben, moderate Mengen an Obst (vor allem Beeren), Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen. Diese Lebensmittel liefern nicht nur entzündungshemmende Nährstoffe, sondern auch die wichtigen Ballaststoffe für eine gesunde Darmflora.

Als Hauptfettquelle eignet sich natives Olivenöl, das reich an einfach ungesättigten Fettsäuren und Polyphenolen ist. Für die Omega-3-Versorgung sollten fetter Seefisch wie Lachs, Makrele oder Hering 2-3 Mal wöchentlich auf dem Speiseplan stehen. Vegetarier und Veganer können auf Leinsamen, Chiasamen, Walnüsse und Algenöl zurückgreifen, sollten aber bei bestehenden Autoimmunerkrankungen eine Supplementierung mit EPA und DHA in Erwägung ziehen.

Tierische Lebensmittel wie Fleisch, insbesondere rotes Fleisch und Wurstwaren, sollten nur in geringen Mengen verzehrt werden (maximal 300-500g pro Woche). Bei Milchprodukten empfehlen sich fermentierte Varianten wie Joghurt, Kefir und reifer Käse, die probiotische Kulturen enthalten und oft besser verträglich sind als frische Milch. Eier können in Maßen genossen werden, wobei zu beachten ist, dass das Eigelb relativ viel Arachidonsäure enthält.

Gewürze und Kräuter sollten großzügig verwendet werden. Besonders entzündungshemmend wirken Kurkuma (idealerweise mit etwas schwarzem Pfeffer für bessere Bioverfügbarkeit), Ingwer, Zimt, Oregano, Thymian und Rosmarin. Grüner Tee, reich an Catechinen, kann als tägliches Getränk die antioxidative Kapazität erhöhen.


Bei bestehenden Autoimmunerkrankungen kann es sinnvoll sein, individuell unverträgliche Lebensmittel zu identifizieren und vorübergehend zu meiden. Eliminationsdiäten, bei denen potenziell problematische Lebensmittel wie glutenhaltiges Getreide, Milchprodukte oder Hülsenfrüchte für einige Wochen gemieden und dann systematisch wieder eingeführt werden, können hier Klarheit schaffen. Bei Hashimoto-Thyreoiditis ist zu beachten, dass etwa 5% der Betroffenen eine Zöliakie haben – in diesen Fällen ist eine strikt glutenfreie Ernährung notwendig. Auch antinutritive Substanzen wie Lektine oder Phytinsäure können bei empfindlichen Personen Entzündungen im Darm fördern und sollten dann reduziert werden.

Neben der Lebensmittelauswahl spielen auch Zubereitungsmethoden eine Rolle. Schonende Garmethoden wie Dünsten, Dämpfen oder Garen bei niedrigen Temperaturen bewahren nicht nur mehr Nährstoffe, sondern verhindern auch die Bildung entzündungsfördernder Verbindungen, die beim Frittieren oder starken Anbraten entstehen können.

Ergänzend zur Ernährung sollten weitere Lebensstilfaktoren beachtet werden: ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung und Stressmanagement tragen ebenfalls zur Reduktion von Entzündungsprozessen bei. Eine ganzheitliche Betrachtung und individuelle Anpassung der Ernährung unter Berücksichtigung persönlicher Vorlieben, Verträglichkeiten und der spezifischen Autoimmunerkrankung bietet die besten Chancen für eine erfolgreiche Umsetzung und langfristige Verbesserung der Gesundheit.

Du willst mehr zu diesem Thema erfahren - dann buche eines meiner zahlreichen Webinare

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie bekomme ich mein Bauchfett los ?

Muskelaufbau auch ohne Muskelversagen möglich ?

Effektiver-Gewichtsverlust für Frauen durch gezieltes Muskeltraining