Immer mehr wissenschaftliche Evidenz -Pflanzliche Nahrung senkt Krebsrisiko
Wenn es darum geht, die Ernährungsweisen zu benennen, die den besten Schutz vor Krebs bieten, geht die pflanzliche Ernährung als Sieger hervor. Sie könnte das Risiko für mehrere Krebsarten senken, die von Lebensstilfaktoren abhängen.
Obwohl die
meisten Forschungsarbeiten zu Ernährungsweisen in den letzten Jahrzehnten die
mediterrane Ernährung mit der westlichen Ernährung verglichen hatten, haben
Metaanalysen in den letzten 5 Jahren die Aufmerksamkeit auf die Vorteile einer
pflanzenbasierten Ernährung gelenkt. Eine der wichtigsten Hypothesen für den
Zusammenhang zwischen pflanzlicher Ernährung und einem reduzierten Risiko für
bestimmte Krebsarten ist, wie der Verzehr verschiedener Pflanzen das Mikrobiom
beeinflusst.
Vor Kurzem
verglich beispielsweise eine in Nature Microbiology veröffentlichte Studie das
Mikrobiom von Veganern, Vegetariern und Omnivoren in 5 Kohorten mit insgesamt
21.561 Personen. Die Forschenden fanden heraus, dass Omnivore mehr Bakterien
haben, die mit einem erhöhten Risiko für ein Kolonkarzinom (Krebsgeschwür) in
Verbindung gebracht werden. Sie stellten außerdem fest, dass Mikroben mit
günstigen kardiometabolischen Markern besonders reichlich in
Veganer-Mikrobiomen vorhanden sind. Solche gesunden Mikroben bei Veganern
traten auch in größeren Mengen in den Mikrobiomen von Omnivoren auf, die mehr
pflanzliche Nahrungsmittel aßen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass eine
pflanzenbetonte Ernährung für die Krebsprävention hilfreicher sein könnte als
der Verzicht auf Fleisch.
Vor
Jahrzehnten war die Idee, dass eine Änderung des Lebensstils das Krebsrisiko
beeinflussen könnte, so radikal, dass viele sie als „falsche Hoffnung“ abtaten,
sagte Dr. Nigel Brockton, Vizepräsident der Forschung am American Institute for
Cancer Research (AICR). Heute versteht man viel besser, dass Lebensstilfaktoren
bei vielen verschiedenen Krebsarten eine wichtige Rolle spielen – aber
Wissenschaftler arbeiten immer noch daran, den genauen Zusammenhang zu
entschlüsseln. Nirgendwo ist dies so kompliziert wie bei der Ernährung, so
Experten.
„Insbesondere
in den letzten 10 Jahren hat sich die Forschung verstärkt auf die Untersuchung
von Ernährungsmustern und weniger auf die Untersuchung einzelner Nahrungsmittel
oder Makronährstoffe konzentriert“, so Brockton. Das Problem ist: „Wenn man
jemandem einfach sagt, dass er sich gesund ernähren soll, bedeutet das für
viele verschiedene Menschen jeweils etwas anderes.“ Da sich jedoch die Beweise
häufen, weisen sie zunehmend auf ein übergreifendes Thema hin: mehr Pflanzen,
weniger Krebs.
Das AICR
befürwortet eine pflanzenbasierte Ernährung auf der Grundlage der Gesamtheit
der Evidenz in seinem aktuellen Expertenbericht zu Lebensstilfaktoren und
Krebs. Eine große Herausforderung für die Forschung, die Schutzwirkung einer
pflanzlichen Ernährung bei der Prävention bestimmter Krebsarten zu bestimmen,
ist jedoch die nebulöse Definition von „pflanzenbasiert“.
„Pflanzenbasierte
Ernährung ist eigentlich ein Oberbegriff, der viele verschiedene
Ernährungsmuster abdeckt“, sagte Prof. Dr. Elizabeth A. Platz , Professorin für
Krebsepidemiologie an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in
Baltimore. „Es gibt keine Checkliste.“
Tatsächlich
verweist das AICR auf die vielfältigen Ernährungsformen, die unter den Begriff
der pflanzenbasierten Ernährung fallen (beispielsweise flexitarisch,
pescetarisch, vegetarisch oder vegan). Statt einer Checkliste befürwortet das
Institut den „New American Plate“, der zu mindestens 2 Dritteln aus Gemüse, zuckerarmen
Obst, Vollkornprodukten und Bohnen und höchstens einem Drittel aus tierischem
Protein besteht.
„Es gibt
keine einheitliche Definition für ‚pflanzenbasierte Ernährung‘“, sagte Prof.
Dr. Anne McTiernan , Professorin für Epidemiologie am Fred Hutch Cancer Center.
„Eine Ernährung mit viel Gemüse und zuckerarmen Obst, wenig raffinierten
Kohlenhydraten und relativ wenig gesättigten Fettsäuren ist ‚gut‘, wenn es
darum geht, das Risiko für Adipositas und für einige Krebsarten zu senken“,
fuhr sie fort. „Es gibt jedoch keine Ernährung, die sich als ‚die Ernährung‘ herausstellt,
der man folgen sollte.“
Die
Ernährung muss nicht vollständig vegan oder vegetarisch sein. Es bedeutet nur,
dass man mehr Pflanzen als alles andere isst. Dass der größte Teil der
täglichen Kalorienzufuhr aus Pflanzen besteht, ist Teil einer gesunden
Ernährung mit vielen verschiedenen Bezeichnungen, einschließlich der
mediterranen Ernährung.
Eine weitere
Möglichkeit, sich pflanzlich zu ernähren, besteht darin, den Fokus einer
Mahlzeit weg vom Fleisch als zentralem Element zu verlagern. Anstatt Fleisch
als Hauptgericht mit Beilagen zu essen, sollte man andere Proteinquellen in
Betracht ziehen und sicherstellen, dass es reichlich zuckerarmes Obst und
Gemüse gibt
In der
Forschung variiert die Beurteilung dieser Ernährungsmuster stark. Einige
Studien verwenden bestehende, vorab festgelegte Indizes, wie den Gesamtindex
der pflanzenbasierten Ernährung oder den Index der gesunden pflanzenbasierten
Ernährung. Weitere Beispiele für formale Instrumente sind die propflanzliche
Ernährung, die provegetarische Ernährung, die EAT-Lancet-Ernährung (Planetary
Health Diet) und die Portfolio-Ernährung. Andere vergleichen vegetarische oder
vegane Ernährungsweisen im weiteren Sinn mit denen von Menschen, die tierische
Lebensmittel essen.
„Obwohl der
Begriff pflanzenbasierte Ernährung verwendet wird, handelt es sich dabei nicht
um eine um vegane oder vegetarische Ernährung“, sagte Prof. Dr. Edward
Giovannucci , Professor für Epidemiologie und Ernährung an der Harvard T.H.
Chan School of Public Health, Boston. Personen, die auf dem Index für gesunde
pflanzliche Ernährung eine hohe Punktzahl erreichen, neigen immer noch dazu,
große Mengen an tierischen Nahrungsmitteln zu essen, die tendenziell gesünder
sind, insbesondere fettärmere Versionen von Fleisch und Milchprodukten.
Was
Forschungsergebnisse zeigen
Die
überwiegende Mehrheit der Forschungsarbeiten zur Beurteilung des Krebsrisikos
und der Ernährungsgewohnheiten konzentriert sich in erster Linie auf die
mediterrane Ernährung, insbesondere im Vergleich zu einer westlichen Ernährung.
In den letzten 5 bis 10 Jahren haben sich jedoch immer mehr Studien mit
vegetarischer oder überwiegend pflanzlicher Ernährung befasst, und es liegen
genügend Belege vor, um mehrere allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen.
Krebserkrankungen
des Gastrointestinaltrakts – einschließlich Speiseröhren- und Magenkrebs,
Kolorektalkarzinom, Leberkrebs und möglicherweise Pankreaskarzinom – scheinen
die Krebsarten zu sein, bei denen eine pflanzenbasierte Ernährung das Risiko am
besten senkt, sagte Giovannucci. Eine pflanzliche Ernährung könnte auch vor
Brust- und Prostatakrebs schützen, aber auch hier sei die Beweislage noch nicht
geklärt. Eine Studie aus dem Jahr 2023 ergab beispielsweise, dass eine
pflanzenbasierte Ernährung das Risiko eines erneuten Auftretens von
Prostatakrebs verringert.
In der
jüngsten Forschung werden verschiedene Indizes zur Bewertung von
Ernährungsweisen verwendet, ohne dass die Menge der von den Teilnehmern
verzehrten tierischen Lebensmittel angegeben wird. In einer Metaanalyse aus dem
Jahr 2023 wurden 22 prospektive Kohortenstudien zu Krebs mit 57.759 Teilnehmern
ausgewertet. Sie ergab, dass eine stärkere Beachtung einer pflanzlichen
Ernährung mit einem um 12% verringertem Krebsrisiko assoziiert war – was
hauptsächlich auf die Risikoreduktion von Brust-, Pankreas- und Prostatakrebs
zurückzuführen war. Der Nutzen erhöhte sich leicht auf ein um 14% reduziertes
Risiko, wenn das Ernährungsmuster insbesondere gesunde pflanzliche
Nahrungsmittel, wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte, betonte.
In diesen Studien wurde der „Index für gesunde pflanzenbasierte Ernährung“
anstelle des „Gesamtindex für pflanzenbasierte Ernährung“ verwendet.
Tatsächlich war die höhere Beibehaltung eines „ungesunden pflanzenbasierten
Ernährungsmusters“ mit einem um 7% erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht.
Bei
bestimmten Krebsarten wurde eine pflanzliche Ernährung mit einem um 9%
reduzierten Risiko für Brustkrebs, einem um 13% reduzierten Risiko für
Prostatakrebs, einem um 18% reduzierten Risiko für Krebs des Verdauungssystems
und einem um 32% reduzierten Risiko für Pankreaskrebs assoziiert. Die
Zusammenhänge für Kolorektal-, Leber-, Lungen- und Magenkarzinome erreichten
dagegen keine Signifikanz. Da jedoch weniger Studien diese Krebsarten
untersucht hatten, war die statistische Aussagekraft möglicherweise einfach
nicht ausreichend, um Signifikanz zu erreichen. Als die Forscher nur eine
gesunde pflanzenbasierte Ernährung betrachteten, sank das Risiko für Karzinome
um 15%.
Bei der
Untersuchung möglicher Mechanismen für die Assoziationen wiesen die Autoren auf
den Zusammenhang zwischen Adipositas und Krebs hin sowie auf die Tatsache, dass
eine gesunde pflanzliche Ernährung tendenziell eine niedrigere Energiedichte
und einen geringen Anteil an gesättigten Fettsäuren, aber einen hohen Anteil an
Ballaststoffen aufweist – was sowohl bei der Gewichtsabnahme als auch bei der
Gewichtserhaltung hilft.
Eine
pflanzenbasierte Ernährung beinhaltet auch wenig bis gar keinem Verzehr von
rotem und verarbeitetem Fleisch, das mit einem höheren Risiko für Brust-, Darm-
und Lungenkrebs in Verbindung gebracht wird. Dieser Zusammenhang ist vermutlich
auf Entzündungen, oxidativen Stress und eine gestörte Insulinsignalübertragung
durch Nitrate, Häm-Eisen und andere Entzündungskomponenten zurückzuführen, so
ein Forschungsbericht über die Mechanismen, die diesen Zusammenhang erklären
könnten. Pflanzen hingegen haben tendenziell mehr entzündungshemmende und
antioxidative Wirkungen, die die Krebsentwicklung beeinträchtigen können.
Eine weitere
Metaanalyse von 8 Studien mit 686.691 Teilnehmern aus dem Jahr 2023 untersuchte
mögliche Zusammenhänge zwischen vegetarischer Ernährung und gastrointestinalen
Krebserkrankungen. Vegetarier hatten ein um 23% geringeres Risiko für
Magen-Darm-Krebs als Nicht-Vegetarier. Genauer gesagt war das Risiko für ein
Magenkarzinom um 58% niedriger und das Risiko für ein kolorektales Karzinom um
15% niedriger. Aber das Risiko für ein Karzinom des oberen
Gastrointestinaltrakts, mit Ausnahme des Magens, unterschied sich statistisch
nicht zwischen den Gruppen. Es zeigte sich auch ein geschlechtsspezifischer
Unterschied: Männer wiesen ein um 43% geringeres Risiko für gastrointestinale
Krebserkrankungen insgesamt auf, während bei Frauen kein signifikanter Zusammenhang
feststellbar war. Die Risikoreduktion war auch in asiatischen Populationen
größer (57% niedriger) als in nordamerikanischen Populationen (24% niedriger).
Die
Literatur zu verschiedenen Untertypen der pflanzlichen Ernährung oder zu
spezifischen Krebsarten ist zwar noch bescheiden, nimmt aber zu. Eine
Metaanalyse von 10 Studien aus dem Jahr 2023 konzentrierte sich auf eine
kohlenhydratarme Ernährung auf pflanzlicher vs. tierischer Basis. Die
Krebssterblichkeit war bei einer kohlenhydratarmen Ernährung insgesamt um 14%
und bei einer tierbasierten kohlenhydratarmen Ernährung um 16% höher. Die
kohlenhydratarme Ernährung auf pflanzlicher Basis war mit einem geringeren
Risiko für die Gesamtmortalität assoziiert, aber sie standen in keiner Richtung
mit dem Krebsrisiko in Verbindung.
Eine
Metaanalyse aus dem Jahr 2022 mit 49 Studien und etwas mehr als 3 Millionen
Teilnehmern befasste sich ausschließlich mit Krebserkrankungen des
Verdauungstrakts: Es zeigte sich ein um 18% geringeres Krebsrisiko in den
Kohortenstudien und ein um 30% geringeres Risiko in den Fallkontrollstudien mit
pflanzlicher Ernährung. Das Risiko für ein Pankreaskarzinom war um 29%
niedriger, für ein Kolorektalkarzinom um 24%, für ein Rektalkarzinom um 16% und
für ein Kolonkarzinom um 12% niedriger. Es gab keinen Unterschied zwischen den
Risiken bei pflanzlicher und veganer Ernährung.
Identifizierung
der Mechanismen
Bis zu einem
gewissen Grad sind die Mechanismen, wie eine pflanzliche Ernährung das Risiko
für bestimmte Krebsarten reduzieren kann, kein Geheimnis.
Es stellt
sich heraus, dass diese Ernährungsstrategie, unabhängig davon, ob man sich eher
vegan ernährt oder ad hoc Dinge zusammenstellt, die eher pflanzenorientiert
sind, im Allgemeinen einfach gesünder ist. Eine pflanzenbasierte Ernährung enthält
in der Regel keine ultrahochverarbeiteten Lebensmittel und ist tendenziell
besser für den Blutzuckerspiegel, weil sie mehr Ballaststoffe enthält. Es
handelt sich um eine gesündere Lebensweise, die das Risiko vieler chronischer
Krankheiten verringern könnte – darunter auch Krankheiten, die selbst
Risikofaktoren für Krebs sind – so dass sie letztendlich auch nützlich sind, um
Krebs zu vermeiden.
Eine
pflanzenbasierte Ernährung hält in der Regel auch den Blutzuckerspiegel
niedrig, und viele Pflanzen sind als entzündungshemmend bekannt, während eine
zuckerreiche Ernährung den Wachstumsfaktor Insulin erhöht, sagte Platz.
Wachstumsfaktoren werden seit Langem mit der Entstehung von Krebs in Verbindung
gebracht.
Der
vielleicht einfachste Mechanismus ist die Tatsache, dass eine pflanzliche
Ernährung mit einer geringeren Gesamtkalorienzufuhr einhergeht und dadurch das
Risiko für Adipositas verringert, sagte Brockton. „Wahrscheinlich wird
Adipositas in den nächsten 10 Jahren das Rauchen als Hauptrisikofaktor für
Krebs überholen“, sagte er.
Ein weiterer
wahrscheinlicher Mechanismus, für den es immer mehr Belege gibt, ist die Rolle
einer abwechslungsreichen, pflanzlichen Ernährung bei der Förderung eines
gesunden Mikrobioms, sowohl durch mehr Ballaststoffe als auch durch
verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe. „Das Mikrobiom wirkt sich auf das
Immunsystem aus, so dass ein gesünderes, vielfältigeres Mikrobiom zu einem
gesünderen, vielfältigeren Immunsystem führt“, sagte Brockton. „Es gibt sogar
Hinweise darauf, dass Menschen mit einer höheren Ballaststoffzufuhr besser auf
eine Immuntherapie bei Melanomen ansprechen.“
Zwar gibt es
nicht genügend Evidenz für einen Zusammenhang zwischen einer größeren Vielfalt
an Pflanzen in der Ernährung und einem geringeren Krebsrisiko, aber es gibt
Hinweise darauf, dass „Menschen, die eine größere Vielfalt an Pflanzen essen,
tendenziell ein vielfältigeres Mikrobiom haben“, sagte Brockton. Außerdem gibt
es immer mehr Hinweise darauf, dass die Vielfalt der Mikrobiome mit dem
Überleben bei bestimmten Krebsarten zusammenhängt. „Deshalb lautet der
Ratschlag, eine Vielfalt bei zuckerarmem Obst und Gemüse zu essen, und das
bietet tendenziell den größten Nutzen“, so Brockton.
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