Stoppt vegane Ernährung das biologische Altern?
Eine aktuelle Studie scheint anzudeuten, dass ein veganer Menüplan die biologische Alterung binnen weniger Wochen anhält – doch ganz so einfach ist es nicht
Über wenige Ernährungsthemen wird so leidenschaftlich
diskutiert, wie über die Frage: mit oder ohne tierische Produkte? Ob man einen
veganen Lebensstil pflegt oder doch den persönlichen Speiseplan mit Fleisch,
Fisch, Milch und Eiern bereichert, ist eine hochemotionale Angelegenheit, zumal
es hier um Entscheidungen geht, die über das alltägliche Menü weit hinausgehen:
Provegane Positionen können für sich beanspruchen, einen deutlich umwelt-,
tier- und vor allem klimafreundlicheren Lebensstil zu praktizieren.
Andererseits wird Veganerinnen und Veganern gern ein geradezu messianisches
Sendungsbewusstsein unterstellt, und es wird kritisiert, dass sie ihren Körpern
mit einer rein pflanzlichen Ernährung letztlich nichts Gutes tun.
Vitamine und Spurenelemente
Doch was sagt die Wissenschaft dazu? Die Ergebnisse gehen
hier teilweise weit auseinander. Immerhin scheint klar, dass man bei einer
veganen Ernährung besonders sorgfältig auf eine ausreichende Versorgung mit
Vitaminen und Spurenelementen achten sollte, insbesondere, was die Aufnahme des
Vitamins B12 betrifft. Ist in dieser Hinsicht alles im Lot, scheint ein veganer
Speiseplan tatsächlich dem Körper keine medizinischen Nachteile zu bescheren,
vielleicht ist er sogar gesünder.
Das scheinen zumindest Forschende aus einer aktuellen
Untersuchung zu schließen, bei der eineiige Zwillinge unter wissenschaftlicher
Aufsicht jeweils unterschiedliche Ernähungsstrategien verfolgt haben. Das knapp
zusammengefasste Resultat: Ein rein veganer Speiseplan vermag bereits binnen
weniger Wochen das biologische Altern zu stoppen – zumindest auf den ersten
Blick.
Zwei Menüpläne für Zwillinge
An der im Fachjournal BMC Medicine präsentierten
randomisierten Interventionsstudie nahmen 21 Zwillingspaare teil. Eine Person
der Paare blieb bei der gewohnten omnivoren Ernährung, der jeweils andere stieg
auf einen veganen Menüplan um. Im Fokus lagen jene Veränderungen, die eine
zweimonatige vegane Ernährung auf die sogenannte DNA-Methylierung haben könnte.
Gemeint ist damit die Art und Weise, wie die Epigenetik die Expression unserer
Gene verändert. In der Regel gilt eine erhöhte DNA-Methylierung als ein Zeichen
für das Altern.
Festgestellt wurden derartige Veränderungen anhand von
Blutproben, die man den Probandinnen und Probanden zu Beginn der Studie und
nach Ablauf von acht Wochen entnommen und analysiert hat. Konkret wies das
Forschungsteam um Varun Dwaraka und Christopher Gardner von der Stanford
University in Kalifornien die eine Hälfte jedes Zwillingspaares an, sich acht
Wochen lang mit 170 bis 225 Gramm Fleisch, einem Ei und anderthalb Portionen
Milchprodukten pro Tag zu ernähren. Die andere Hälfte sollte im gleichen Zeitraum
ausschließlich Pflanzliches zu sich nehmen.
Die Stichprobe
Die Stichprobe bestand aus 32 Frauen und zehn Männern, die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren im Schnitt 40 Jahre alt und hatten einen
durchschnittlichen Body-Mass-Index von 26, was ein leichtes Übergewicht
bedeutet. In den ersten vier Wochen der Studie aßen die Personen Mahlzeiten,
die von den Forschenden für sie zubereitet worden waren, in der zweiten Hälfte
der Beobachtungszeit bereiteten sich die Probandinnen und Probanden ihre
Mahlzeiten selbst zu, nachdem sie von Gesundheitsfachleuten in Ernährungsfragen
unterrichtet worden waren.
Nachdem das Team nach Ablauf des Studienzeitraums die
Blutproben untersucht hatten, ergab sich folgendes Bild: Jene
Zwillingspaarhälften, die sich vegan ernährt hatten, zeigten anhand der
DNA-Methylierungsdaten eine Verringerung des biologischen Alters. Insbesondere
fand sich bei diesen Personen eine Verringerung der Alterungsmarker für Herz,
Hormone, Leber, Entzündungs- und Stoffwechselsysteme. Bei jenen Zwillingen, die
tierische Produkte verspeisten, war eine solche Entwicklung nicht zu
beobachten.
Keine Ursache-Wirkung-Schlussfolgerungen
Bedeutet dies nun, dass Nichtveganer schneller altern? Ganz
so einfach dürfte es wohl nicht sein. Da es sich um eine kleine Studie mit nur
wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern handelt, will das Team hier keine
Ursache-Wirkung-Schlussfolgerungen ziehen. Mit anderen Worten: Aufgrund des
experimentellen Settings lässt sich kein direkter Zusammenhang zwischen den
Veränderungen beim biologischen Alter und der veganen Ernährung feststellen.
Laut Dwaraka und Gardner könnten auch indirekte Auswirkungen
eine Rolle spielen: Jene Personen, die sich vegan ernährt haben, erfuhren einen
signifikanten Gewichtsverlust von im Durchschnitt zwei Kilogramm. Auch das
könnte für die beobachteten Effekte verantwortlich sein. Die eingebremste
biologische Alterung sei zwar durchaus verblüffend, so die Forschenden, doch
aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraums könnte man über langfristige
Auswirkungen der Ernährungsumstellung keine verlässlichen Aussagen machen.
An diesem Punkt setzt auch die Kritik von unabhängigen
Fachkollegen an: "Wenn eine vegane Ernährung nicht mit Vitamin B12 ergänzt
wird, entwickelt sich ein Vitamin-B12-Mangel, der chronische und oft
schleichende Schäden am Nervensystem verursacht", erklärte beispielsweise
Tom Sanders vom King's College London.
Vegan ist nichts für Senioren
Der Experte für Ernährung und Diätetik sieht auch Probleme
bei der Skelettstruktur: "Langfristige Beobachtungsstudien bei Veganern
haben auch negative Auswirkungen auf die Knochendichte festgestellt, die
wahrscheinlich auf eine sehr niedrige Kalziumzufuhr und eine gerade so
ausreichende Proteinversorgung zurückzuführen sind."
Sanders räumt zwar ein, dass einzelne Studien darauf
hindeuten würden, dass sich eine vegane Ernährung im mittleren Lebensalter
günstig auf die Gesundheit auswirkt, etwa auf ein verringertes Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Für ältere Veganer gilt dies
jedoch nicht, im Gegenteil: Muskelschwund, geringere Knochendichte und
neurologischen Störungen könnten bei Menschen im fortgeschrittenen Alter die
Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
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