Worauf Sie bei einer Ernährungsumstellung achten müssen
Wer in seiner Ernährung vorwiegend oder voll auf Pflanzen setzen will, steht schnell vor der Frage: Bekomme ich genügend Eisen, Protein und Vitamin B12?
Der Mensch ist nicht für Verzicht gemacht, und wenn es ums Essen geht, dann regt sich erst recht Widerstand. Das zeigte sich vor ein paar Wochen, als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ihre neuen Empfehlungen veröffentlicht hat. Anstatt sie als Hilfestellung auf dem Weg zu mehr Gesundheit und auch zu einem nachhaltigeren Leben zu begreifen, regten sich viele Menschen darüber auf. „Nun wollen sie uns auch noch die Eier verbieten“, hieß es, weil die DGE empfiehlt, den Konsum tierischer Fette und Proteine stark einzuschränken – und stattdessen mehr Obst und Gemüse zu essen.
Bevor wir dazu kommen, dass gesunde Ernährung leichter ist, als viele denken, ein kurzer Blick auf die Frage: Woher kommt diese Abwehr? „Das liegt daran, dass der Mensch ein paradoxes Wesen ist“, sagt Ulrike Gisch, die an der Universität Gießen den Lehrstuhl für Ernährungspsychologie innehat. „Menschen streben danach, ihre kognitive Dissonanz möglichst zu reduzieren. Das ist schwierig, wenn sie zwei Ziele verfolgen, die miteinander im Konflikt stehen – also beispielsweise weiterhin ihr Steak genießen, aber gleichzeitig das 1,5-Grad-Klimaziel erreichen wollen, um nachfolgenden Generationen ein gutes Leben auf dem Planeten zu ermöglichen.“ In einem solchen Fall neigten Menschen dazu, das schwieriger zu erreichende Ziel zu verdrängen und lieber beim gewohnten Ernährungsstil zu bleiben, als umzulernen.
Aber es ist auch nicht so, dass Menschen immun gegen Fakten sind. Viele wissen, dass hoher Fleischkonsum ungesund ist – und Klima und Tieren schadet. In einer Konsumentenumfrage von Statista aus dem Jahr 2022 sagten 85 Prozent der befragten Deutschen, dass sie regelmäßig Fleisch essen. Aber knapp die Hälfte, nämlich 42 Prozent, gab in der Umfrage an, sie wollten perspektivisch weniger davon essen.
Übertragung in den Alltag ist schwierig
Um das zu erreichen, kann man auf viele verschiedene Ernährungsempfehlungen zurückgreifen, manchmal werden sie in Form von knappen Merksätzen, als Pyramide oder Diagramm dargestellt. Diverse Untersuchungen zeigen aber, dass viele Menschen diese Hinweise zwar kennen, es ihnen aber schwerfällt, das Wissen in ihren Alltag zu übertragen. Ernährungspsychologen der Harvard Medical School empfehlen deshalb, sich auf dem Weg zu einem vollwertigen oder pflanzenbasierten Ernährungsstil einen Teller vorzustellen: Auf der einen Hälfte des Tellers sollte Obst und Gemüse liegen, „möglichst bunt und abwechslungsreich“. Kartoffeln gehören wegen ihres hohen Kohlenhydratgehaltes in dieser Vorstellung übrigens nicht zum Gemüse.
Ein Viertel des Tellers sollte mit Körnern – Quinoa, Hafer, braunem Reis oder Gerste – bedeckt sein. Das letzte Viertel gehört den Proteinen. Je nach Ernährungsform können dort also Bohnen, Nüsse, Saaten, aber auch Eier, Fisch oder auch Geflügelfleisch liegen. Rotes Fleisch von Rindern und Schweinen sollte ebenso vermieden werden wie hochverarbeitete Nahrungsmittel. Der Ernährungskreis, den die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, entspricht diesen Vorgaben in etwa.
Seinen Bedarf an Lipiden sollte man mit pflanzlichen Fetten, also Oliven-, Raps-, oder Distelöl decken. Wichtig, um gesund zu leben, sei es, Zucker zu vermeiden. Vor allem in Getränken verstecken sich Kohlenhydrate. Also besser ungesüßten Tee oder Wasser trinken. Die Studienlage dazu, ob Süßstoffe besser gemieden werden sollten, ist uneinheitlich. Dienen sie dazu, normalen Zucker zu ersetzen, ist ihre Gesundheitsbilanz eher positiv, noch besser sei es aber, auf Süßes ganz zu verzichten.
Nährstoffmangel durch Pflanzenkost
Ein gekochtes Hühnerei, 50 Gramm schwer, enthält sieben Gramm Protein und jede Menge essenzielle Aminosäuren. 87 Gramm Tofu enthalten dieselbe Menge. Wer seinen Bedarf an Aminosäuren aus Erbsen decken will, muss 130 Gramm essen, wer lieber gekochten Reis isst, muss 250 Gramm verspeisen. Wer aber Erbsenreis kocht, kann von beiden Zutaten weniger verwenden. Das liegt daran, dass die Aminosäure Lysin in Getreide niedrig, in Hülsenfrüchten hoch konzentriert ist. Mit der Aminosäure Methionin verhält es sich genau andersherum: Sie ist in Hülsenfrüchten kaum enthalten, dafür aber in größeren Mengen in Getreide.
Klingt kompliziert? Ist es nicht, es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es bei einer vollständig fleischfreien, aber ausgewogenen vegetarischen Ernährungsweise zu einem Mangel an Aminosäuren oder Protein kommt. Wer als Flexitarier ab und an Fleisch oder Fisch isst, ist auf der sicheren Seite.
Eisenaufnahme durch Vitamin C unterstützen
Langfristige Erfolge sichern
Damit die Umstellung auch langfristig wirkt, empfehlen Experten, planvoll vorzugehen. Man solle sich einerseits über die Stärken und Schwächen der bisherigen Ernährung bewusst werden und sich dann klare Ziele setzen – etwa: „Nur noch alle zwei Wochen Fleisch“, „Nur ein Frühstücksei pro Woche“, „Jeden Abend einen Salat“. Von diesen Vorsätzen solle man sein Umfeld informieren – soziale Kontrolle kann motivierend wirken. Lebensmittel, die nicht zu den neuen Ernährungszielen passen, sollte man vor der Umstellung aufbrauchen oder verschenken. Manchen Menschen hilft es, sich Erfolge zu notieren. Wichtig sei aber auch, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen, wenn man doch „rückfällig“ geworden ist.
Wer nicht nur sich, sondern auch seine Angehörigen für mehr Pflanzenkost begeistern will, kann übrigens den Trick anwenden, den viele Mütter intuitiv beherrschen: Gemüse wird interessanter – und auch eher gegessen, wenn man ihm einen guten Namen gibt.
Studien an Schulen und in Kantinen haben nachgewiesen: Vegetarische Gerichte werden dann eher gegessen, wenn sie nicht ihre langweiligen Standardnamen haben, also etwa „Kohleintopf“, sondern wenn sie liebevoller bezeichnet werden – und zusätzliche Informationen zu Inhaltsstoffen und Herkunft mittransportiert werden – also beispielsweise „Vitamin-C-reicher Eintopf mit Weißkohl aus der Region“. Auch Phantasienamen oder eine ungewöhnliche Darreichungsform (Radieschenmäuse, Brokkolibäume, Möhrenspiralen, Kartoffeltorpedo) können den Fokus von Fleisch und Wurst zu den Pflanzen ziehen.
Eines sollte aber jeder bedenken, der seine Ernährung von Fleisch auf vegetarisch oder sogar vegan umstellen will: Verhaltensänderungen brauchen Zeit, und man muss sich auch ab und zu einmal verzeihen können.
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