Ist Essen auf Pflanzenbasis immer gesünder?

 


Pflanzenbasierte Ernährung ist gesund, Experten empfehlen mehr Gemüse auf dem Teller. Was die Datenlage wirklich hergibt und warum ein Steak nicht immer schlecht sein muss.

Charlie hat mehr als vier Kilogramm abgenommen, davon 3,8 Kilo Fett – innerhalb von acht Wochen. Michael hat auch etwas Gewicht verloren, ein knappes Kilogramm. Ein Körperfettscanner zeigte, dass beide Muskeln auf- und Fett abgebaut hatten. 

Ihre Cholesterinwerte, Entzündungsmarker, die Vielfalt des Mikrobioms: Alles war besser geworden. 

Eine Ernährungsumstellung, begleitet von einem Fitnessprogramm, hatte die Gesundheit der beiden Brüder in eine neue Dimension gepusht. Bei Charlie waren die Effekte größer, er war für acht Wochen Veganer geworden. Aber auch Michael,der lediglich von seinem normalen Alltagsessen auf eine hochwertige – gemüsereiche, aber fleischhaltige – Kost umgestiegen war, profitierte.

Charlie und Michael hatten an einer Studie der Stanford University teilgenommen, in der eine der großen Fragen dieser Zeit untersucht wurde: Ist vegane Kost gesünder als eine omnivore, die Fleisch, Milch und Eier umfasst? Antworten auf solche Fragen sind schwer zu finden, denn Menschen, die vegan leben, könnten ja auch aktiver sein, Fleischesser eher zum Fernsehen auf der Couch neigen. Außerdem hat jeder Mensch seine individuellen Gene, führt ein gesundes oder ungesünderes Sozialleben und hat mehr oder weniger Stress bei der Arbeit. Der Mensch ist keine Labormaus, an der man Futterexperimente durchführen kann.

Umso glücklicher waren die Forscher, dass sie 22 eineiige Zwillingspaare rekrutieren und somit genetische Effekte ausschließen konnten. Lebensstil und Ernährung überwachten sie vier Wochen lang und nahmen während der gesamten Studiendauer von acht Wochen regelmäßig Blut- und Urinproben, überprüften die Fitness und die Kognition. Charlie, Michael und die anderen Zwillinge bestätigten die Vermutung: Ob mit oder ohne Fleisch, ausgewogene Ernährung ist gesund, rein pflanzliche gesünder.

Pflanzenkost um jeden Preis?

Die Studie belegt, was die Ernährungsempfehlungen wie die der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Weltgesundheitsorganisation seit Jahrzehnten postulieren: Eine Ernährung mit einem hohen pflanzlichen Anteil ist gesund, sie hilft, die Blutwerte zu verbessern, und bremst sogar das Altern. Die Effekte treten überraschend schnell ein. Was aber macht Pflanzen so gesund – und sollen wir aus Gesundheitsgründen alle Vegetarier oder Veganer werden? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten – und erste Forscher warnen sogar vor dem Trend, Fleisch durch pflanzenbasierte Ersatzprodukte zu ersetzen.

Studien wie die aus Stanford sind ein Glücksfall für die Ernährungswissenschaft, die traditionell damit zu kämpfen hat, dass sich nur schwer valide Daten erheben lassen. Wollen Forscher herausfinden, welche Effekte Käse oder Wurst, Erdbeeren oder Äpfel auf den Stoffwechsel haben, können sie oft nur Beobachtungsstudien durchführen. Die Ergebnisse können allerdings vom Gencode eines Probanden, aber auch durch sein Mikrobiom, sein Geschlecht und viele andere Faktoren verzerrt werden. Doppelblinde, randomisierte Langzeitstudien, die in der medizinischen Forschung Goldstandard sind, lassen sich mit Menschen im Alltag kaum realisieren

Wie ist die Studienlage?

Um dieses Manko wettzumachen, betrachten Forscher lieber epidemiologische Daten. Weltweit gibt es eine Reihe von Studien, in denen Menschen immer wieder zu ihrem Lebenswandel befragt und gesundheitlich untersucht werden. Die UK Biobank etwa, in die seit Jahren fortlaufend Gesundheitsdaten von mehr als 500.000 Männern und Frauen eingespeist werden, dient Ernährungsforschern als Datenquelle. Sie ist für Ernährungswissenschaftler nutzbar, denn immerhin 200.000 der Teilnehmer werden auch zu ihrem Ernährungsstil befragt. Bekannte große Datensammlungen sind auch die Nurses’ Health Study und die Health Professionals Follow-up Study in den USA. In Deutschland werden in der NAKO-Gesundheitsstudie Ernährungsgewohnheiten und Gesundheitsdaten von mehr als 200.000 Teilnehmern regelmäßig erhoben. Sterben Menschen im Laufe der Zeit vor ihrer statistisch errechneten Lebenserwartung, können Forscher prüfen, ob das beispielsweise mit ihrem Lebensstil in Verbindung gebracht werden kann. Solche Analysen können immer nur Korrelationen aufzeigen, liefern aber dennoch wichtige Erkenntnisse.

Im Gegensatz zu den großen Datenanalysen können auch kleinere Studien, die nur wenige Probanden beinhalten oder nur über eine vergleichsweise kurze Zeitdauer laufen, wichtige Erkenntnisse liefern. Zwar werden sie gerne mit „Die eine zeigt dies, die andere das“ von der Allgemeinheit abgebügelt. Aber auch sie haben ihren wissenschaftlichen Wert, etwa, wenn man sie einer Metaanalyse unterzieht. Dabei werden mehrere kleine Studien praktisch zu einer Studie zusammengefasst. Das Grundproblem der Ernährungsforschung ist damit nicht aus der Welt – aber sie ist dennoch nicht beliebig. Kurzum: Auch in der Ernährungswissenschaft gibt es sichere Erkenntnisse. So ist belegt, dass viel Obst und Gemüse zu einer gesunden Ernährung dazugehören.

Diese Stoffklassen fördern die Gesundheit

Auch die Stoffklassen, die für die Gesundheitseffekte verantwortlich sind, sind identifiziert: Da sind zum einen Ballaststoffe, die für eine bessere Verdauung sorgen. Sie sind aber auch für das Mikrobiom des Darms wichtig,jene Abermillionen Bakterien, mit denen der Mensch in einer Symbiose lebt. Je mehr Ballaststoffe – das sind Polysaccharide aus den Zellwänden der Pflanze, zu deren Abbau dem Menschen die Enzyme fehlen – in der Nahrung enthalten sind, umso vielfältiger ist das Mikrobiom. Eine hohe Bakterienvielfalt reduziert das Risiko für Diabetes Typ 1, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und möglicherweise auch für Asthma.

Wer pflanzliche Fette statt Butter und tierischer Fette isst, senkt sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Das liegt daran, dass Pflanzen kaum Cholesterin und deutlich weniger gesättigte Fettsäuren enthalten. Gesättigte Fettsäuren treiben das schlechte LDL-Cholesterin in die Höhe und senken das gute HDL-Cholesterin. In pflanzlichen Lebensmitteln ist die Energiedichte geringer als in tierischen. Wer also mit Bohnen, Blumenkohl und Bananen auf 2500 Kilokalorien am Tag kommen will, muss viel mehr Masse essen als jemand, der seinen Kalorienbedarf mit Schweinebraten deckt.

Im Gegensatz zur Kaloriendichte ist die Nährstoffdichte in Obst und Gemüse höher als bei Fleisch: Pflanzen produzieren Vitamine und Sekundärmetaboliten, für die in Laborstudien gute Effekte beispielsweise gegen das Wachstum von Tumoren und gegen Entzündungsprozesse nachgewiesen wurden.

Das Leben verlängern

Genau sind die Wirkmechanismen nicht erforscht, aber ein Blick auf eine sehr große Datensammlung spricht für sich: 1992 hat die Harvard School of Public Health gemeinsam mit der Weltbank eine große Studie ins Leben gerufen, die „Global Burden of Disease“-Studie. Hierin werden weltweit kontinuierlich Krankheitsdaten erhoben. Man erkennt, in welchen Weltregionen Menschen vor allem an Infektionskrankheiten sterben und wo Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Killer Nummer eins sind. Norwegische Wissenschaftler um Lars Fadnes haben die Daten dieser großen Studie daraufhin untersucht, ob man spezielle Ernährungsweisen mit Krankheiten korrelieren kann – und ob so das Risiko bestimmbar wird, welches in unterschiedlichen Ernährungsweisen liegt.

Vor zwei Jahren publizierten die norwegischen Forscher ihre Ergebnisse: Ein 20-jähriger Mensch, der seine typisch westliche, fleischhaltige Ernährung auf eine pflanzenbasierte Kost mit vielen Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten umstellt, kann demnach mehr als zehn gesunde Lebensjahre gewinnen. Und eine Ernährungsumstellung lohnt sich der Studie zufolge sogar im Alter, 80-Jährige könnten demnach ihr Leben um drei Jahre verlängern.

Wer lange und gesund leben will, muss also nur auf Pflanzenkost umstellen? So einfach ist es nicht. „Wenn jemand mir sagt, er lebt vegetarisch oder vegan, heißt das noch lange nicht, dass er gesund isst“, sagt Mathias Faßhauer, Ernährungsmediziner und Professor für Ernährung des Menschen an der Universität Gießen. Fleisch, Eier und Milch haben auch wichtige Inhaltsstoffe, die Obst und Gemüse nicht oder nicht so einfach liefern. „Vitamin B12 müssen Veganer substituieren“, sagt er. „Calcium, Eisen und Eiweiß lassen sich einfacher aus Fleisch- und Milchprodukten aufnehmen. Viele der essenziellen Aminosäuren können wir leichter aus tierischen Produkten aufnehmen als aus pflanzlichen.“

Skepsis bei hochverarbeiteten Lebensmitteln

Den Trend, auf pflanzenbasierte Nahrung umzusteigen, beobachtet er skeptisch. „Viele Menschen greifen im Supermarkt mittlerweile zu veganer Wurst oder veganem Käse. Aber dies sind sehr häufig hochverarbeitete Lebensmittel.“ Er erzählt von einem Experiment, das der Stoffwechselexperte Kevin D. Hall von den National Institutes of Health in den USA durchgeführt hatte, nachdem er von der Hypothese, hochverarbeitete Lebensmittel würden dick machen, gehört hatte. Er lud 20 übergewichtige, aber ansonsten gesunde Probanden zu einem Experiment unter kontrollierten Bedingungen ein: Sie wurden 28 Tage lang stationär in seiner Klinik aufgenommen.

Eine Gruppe erhielt am Anfang des Experiments für zwei Wochen hochverarbeitete Speisen, die andere Gruppe wurde mit normalen Lebensmitteln versorgt, nach zwei Wochen wurde gewechselt. Die hochverarbeiteten und die nichtverarbeiteten Lebensmittel stimmten in ihrem Gehalt an Zucker, Fett, Eiweißen, Kohlenhydraten und Ballaststoffen und in ihrer Kaloriendichte überein. Die Probanden durften so viel essen, wie sie wollten, nach jedem Essen notierten die Forscher genau, wer wie viele Kalorien zu sich genommen hatte. Zudem mussten die Teilnehmer regelmäßig auf die Waage steigen. 

Plötzliche Gewichtszunahme

Das Ergebnis überraschte ihn: Probanden, die bei Speisen mit hochverarbeiteten Lebensmitteln zugreifen durften, aßen im Schnitt 500 Kilokalorien mehr am Tag als die, die gerade in der Gruppe mit unverarbeiteter Ernährungsweise waren. Zudem nahmen diejenigen, die hochverarbeitete Lebensmittel aßen, durchschnittlich ein Kilogramm an Gewicht zu, die andere Gruppe nahm bis zu ein Kilogramm ab. Obwohl das Experiment nur recht kurz lief und auch nur wenige Teilnehmer hatte, empfehlen die Forscher, dass ein Verzicht von hochverarbeiteten Lebensmitteln eine gute Strategie sein könnte, um Übergewicht vorzubeugen oder zu behandeln.

Das Experiment von Hall zeige, dass es bei einer gesunden Ernährung nicht nur darum geht, Fleisch durch irgendwelche pflanzenbasierten Lebensmittel zu ersetzen, sagt der Gießener Forscher Mathias Faßhauer. „Wir müssen auf den Verarbeitungsgrad achten.“

Die Idee, dass hochverarbeitete Lebensmittel Dickmacher sein könnten, hat der brasilianische Ernährungswissenschaftler Carlos Augusto Monteiro publik gemacht. Er hatte sich lange Zeit mit den Ernährungsgewohnheiten in ärmeren Landesteilen Brasiliens beschäftigt. Dort stieg der Anteil an Übergewichtigen und Menschen mit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus mit wachsendem Wohlstand. Monteiro erkannte, dass dies mit dem höheren Konsum von Tiefkühlpizza, Kartoffelchips, Softdrinks und anderen hochverarbeiteten Lebensmitteln zusammenhing – und entwickelt die sogenannte NOVA-Skala. Sie teilt Lebensmittel in vier Kategorien (grün, gelb, orange, rot) ein. Grüne Lebensmittel sind unverarbeitet, also Obst, Gemüse, Eier, Milch, Fleisch. In die rote Kategorie fällt alles, was hochverarbeitet ist und viele Zutaten und Zusatzstoffe enthält. Diese roten Lebensmittel gilt es zu vermeiden.

Aromen bringen den Körper durcheinander

Faßhauer rät davon ab, hochverarbeitete Lebensmittel zu essen, auch wenn sie rein pflanzlich sind. Es seien zu viele Zusatzstoffe enthalten, vor allem Aromen, die etwa einer Sojawurst den Geschmack von Schwein, einem Seitan-Steak rauchiges Grillaroma verleihen. Lebensmittel, die zusätzliche Aromen benötigen, um nach etwas zu schmecken, solle man lieber im Regal stehen lassen. „Sie sind allerdings sehr häufig“, sagt der Forscher, „wir haben sie bei einer Untersuchung in sieben von zehn Fleischersatzprodukten gefunden.“ Gerade hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass sich die Produktion von Fleischersatzprodukten in Deutschland im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 16,6 Prozent auf 121.600 Tonnen erhöht hat.

Für Faßhauer ein bedenklicher Trend, denn die meist enthaltenen Aromen seien nicht ungefährlich. Sie förderten das hedonische Essen: Die Produkte schmecken so gut, dass es schwerfällt aufzuhören. Zudem störten sie die Geschmack-Nährstoff-Erwartung. Faßhauer erklärt das am Beispiel von Erdbeeraroma: „Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade Bedarf an Vitamin C – und deshalb Appetit auf Erdbeeren. Ihr Körper schmeckt das Aroma, Stoffwechselprozesse werden angestoßen. Aber was, wenn es dann statt der vitaminreichen und kalorienarmen Erdbeeren ein Erdbeereis oder einen Erdbeersmoothie gibt, der nur Aroma, aber keine Erdbeeren enthält?“

Ähnlich wie mit dem Erdbeergeschmack sei es auch mit dem Grillaroma auf Fleischersatzprodukten: Sie spiegeln dem Körper eine falsche Nährstoffbilanz vor. „Wer glaubt, pflanzenbasierte Lebensmittel sind automatisch gesund, der irrt“, sagt er. Betrachte man die Inhaltsstoffe, könne ein Rindersteak eine bessere Nährstoffbilanz haben als ein veganes Steak. „Zudem haben Tierversuche bereits gezeigt, dass hochverarbeitete Nahrung das Überessen fördert“, sagt er. Um es Menschen zu erleichtern, hochverarbeitete Lebensmittel zu vermeiden, hat er mit seinem Team das Ernährungsprogramm Neatic (Natural eating with three ingredients checked) entwickelt. Die Grundregel dort: Aromastoffe, Zucker und Süßungsmittel meiden. „Wer seine Ernährung auf pflanzliche Kost umstellen will, muss das informiert tun.“

Charlie, Michael und die anderen Zwillinge wurden nach der Stanford-Studie gefragt, ob sie nun dabei bleiben – ob die Teilnehmer mit der omnivoren Ernährung vielleicht sogar auf die vegane umsteigen würden. Die Reaktionen waren gemischt: Der Push, den ihre Gesundheitswerte erfahren hatten, hatte zwar alle beeindruckt. Die Ernährung dauerhaft umzustellen erschien vielen aber zu schwierig.

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